Im Gespräch mit Astrid Rana

Von der Reihe „Im Gespräch mit …“ Frauen vom Verein 50 Jahre Frauenstimmrecht. Sieh auch: Im Gespräch mit Eva Granwehr

Maya Taneva ist im Gespräch mit Astrid Rana, von Baden/Schweiz, Mutter einer 35 jährigen Tochter, Fundraiserin und Berufsbildnerin. Seit September 2020 ist Astrid Rana pensioniert, im Vorstand vom Gauri Shankar, einer NGO welche sich für Bildung für Kinder in Nepal einsetzt. 

Dieses Jahr feiert die Schweiz 50 Jahren Frauenstimmrecht auf der Bundesebene. Die Schweizer*Innen haben sehr lange darauf warten müssen, obwohl nach dem Ende des ersten Welt Krieges in vielen anderen Ländern das Stimmrecht für Frauen endlich als Grundrecht gesetzlich geregelt wurde. Aber in der Schweiz wurden die Frauen* dieses Recht noch sehr lange vorenthalten. Mit Blick auf dieser Tatsache wollen wir nach 50 Jahre Frauenstimmrecht zurückschauen und uns daran erinnern was die Schweizer*Innen alles in diesen kurzen 50 Jahren erreicht oder eben noch nicht erreicht haben. 

50 Jahre Frauenstimmrecht schweiz

MayaFy: Du hast dich jahrelang im Rahmen von verschiedenen Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit und anderen Institutionen sehr stark für Menschenrechte, aber auch explizit für Frauenrechte eingesetzt. Seit kurzem bist du eben pensioniert, aber trotzdem weiterhin sozial politisch stark engagiert. Was ist deine Rolle bei den Feierlichkeiten zu den 50 Jahren Frauenstimmrecht?

Astrid Rana: Meine Freundin Andrea Peterhans hat mich angefragt, ob ich Interesse habe, an einem Projekt anlässlich des Jubiläums “50 Jahre Frauenstimmrecht” mitzuarbeiten. Die tolle Idee eine solche Arbeitsgruppe zu bilden, mit der Absicht über den Schweizertellerrand zu schauen, da auch die Frauen in der Schweiz auf den Schultern von kämpferischen Vorgängerinnen in aller Welt stehen, kam von der Journalistin Maya Doetzkies. Nach wie vor ist es wichtig an die zu Unrecht in Vergessenheit geratenen oder gedrängten Frauen zu erinnern. Dieses Projekt versteht sich als Hommage an all diese Frauen. Es geht auch darum mit den Geschichten dieser Vorkämpferinnen jetzt allen Mut zu machen. Denn der Weg zur Gleichberechtigung ist lang und nicht abgeschlossen.

MayaFy: Im Zusammenhang mit dem Jubiläum zu 50 Jahre Frauenstimmrecht werden das ganze Jahr durch verschiedene Veranstaltungen in der Schweiz organisiert. Kannst Du uns etwas über den Literaturabend in Zürich, welcher im Herbst 2021 stattfinden soll, erzählen?

Astrid Rana: Der Buchladen mille et deux feuilles in Zürich plant einen Literaturabend, in welchem herausragende Frauen aus drei Ländern portraitiert, in den geschichtlichen Kontext des Landes gestellt und dazu Bücher/Schriftstellerinnen aus diesen Ländern vorgestellt werden. 

MayaFy: Mit wievielen Teilnehmer*Innen rechnen die Organisator*Innen?

Astrid Rana: Die Platzzahl in der Buchhandlung ist beschränkt, wir rechnen mit maximal 50 Personen, sofern es die Situation wegen Covid überhaupt erlaubt. Ansonsten wird der Abend zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

MayaFy: Wolltet ihr Menschen aus bestimmten Ländern oder Kulturkreisen einladen oder erreichen?

Astrid Rana: Wir möchten Frauen und Männer aus allen Kulturen erreichen mit Geschichten von starken Frauen aus zwei, drei Mittelmeerländern wie auch neue Literatur aus diesen Ländern vorstellen.

MayaFy: Was sollte das Hauptthema sein und schlussendlich warum ist die feministische Literatur aus Süd-Ost Europa für das Projekt 50 Jahre Frauenstimmrecht so wichtig?

Astrid Rana: Es gibt sie, die berühmten Frauenrechtler*innen und Politiker*innen; damals wie heute, weltweit, nicht nur in der Schweiz. Sie haben Geschichte geschrieben. Und über sie wurden Geschichten geschrieben. Diese Geschichten möchten wir unserem Publikum bekannt machen. Der Buchladen mille et deux feuilles ist spezialisiert auf Literatur aus dem Mittelmeerraum, somit möchten wir starke Frauen aus der Mittelmeerregion den Literaturfreund*innen in der Schweiz bekannt machen. Süd-Ost-Europa ist wichtig in diesem Zusammenhang, leben doch viele Menschen aus diesen Ländern hier in der Schweiz. Wir selber verbringen Ferien an den Stränden des Mittelmeeres, wir lieben das Essen, die Kultur, die Literatur, etc. Und schlussendlich haben nicht nur die Schweizerinnen eine lange Geschichte i.S. Frauenrechte, diese gibt es auch in allen Ländern des Mittelmeerraumes und natürlich darüber hinaus. Es würde den Rahmen sprengen, wenn wir mehr starke Frauen aus verschiedenen Ländern an einem Abend vorstellen möchten.

MayaFy: Im Rahmen des Literaturabends richtet ihr den Fokus insbesondere auf feministische Autor*Innen aus dem Balkan, vor allem diejenigen aus der Zeit zwischen 1755 bis 1971 (das Jahr als Frauen* in der Schweiz das Stimmrecht endlich gewonnen haben). Warum ist der Balkan für euch besonders interessant?

Astrid Rana: Bosnien gilt als Beispiel eines kommunistischen Landes, wo volle rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Geschlechter gewährleistet war; unter Tito in der ersten Verfassung von 1946 „vollkommene Gleichberechtigung“. Es sind vor allem aber auch private Beziehungen, welche mich veranlasst haben vorzuschlagen, aus all den verschiedenen Ländern des Mittelmeeres zb Bosnien miteinzubeziehen. Bosnien ist mir ans Herz gewachsen.

MayaFy: mehrere Male in den letzten 10 Jahren bist Du persönlich nach Bosnien-Herzegowina gereist. Woher stammt dein Interesse für dieses Land eigentlich?

Astrid Rana: In den 90iger Jahren habe ich eine bosnische Flüchtlingsfrau kennengelernt, die mit ihren zwei kleinen Kindern in die Schweiz geflüchtet ist. Wir haben über all die Jahre immer einen engen Kontakt aufrechterhalten, auch als sie zurück nach Bosnien gezogen ist. Ich habe sie mehrmals besucht und somit das Land, die Menschen liebgewonnen. Weiter habe ich zusammen mit meiner Freundin Andrea Peterhans in Bosnien selber spannende Frauen kennengelernt, welche in Sarajevo leben und arbeiten – dieser formelle und informelle Austausch über all die Jahre hinweg hat mich immer wieder bestärkt darin, dass wir Frauen, sei es in der Schweiz, sei es in Bosnien oder anderwo noch einen langen Weg vor uns haben, wenn es um Gleichstellung geht. 

MayaFy: in deiner Recherche hast Du Dr. Nada Ler Sofronić, zitiert. Sie war eine der Gründerinnen des Feminismus im ehemaligen Jugoslawien.

„30 Jahre später leben wir in den sogenannten Transitionsgesellschaften in einer Welt voller rückwärtsgewandeter Tendenzen. Der religiöse und marktwirtschaftliche Fundamentalismus bedroht ernsthaft alle demokratischen Freiheiten und vor allem die Rechte der Frauen, die in den vergangenen Kämpfen erreicht wurden“.

Dr. Nada Ler Sofronić

Siehst du zwischen dieser Beobachtung von Prof. Sofronic und der heutigen Situation mit den Frauenrechten in der Schweiz Parallelen? Was sollen wir, hier in der Schweiz, von der Situation in Bosnien-Herzegowina lernen? 

Astrid Rana: Ja, Nada Ler Sofronić ist eine der bedeutensten Frauenrechtlerinnen aus Bosnien. Leider ist sie im Jahr 2020 verstorben. Sie weist mit Recht darauf hin, dass Frauen weltweit auf der Obhut sein müssen, dass ihnen grundlegende Rechte nicht wieder verwehrt werden. Es wurde viel erreicht in den letzten Jahren, Jahrzehnten aber noch ist die Gleichberechtigung nicht dort, wo sie sein sollte. Solange Frauen auf dieser Welt dafür kämpfen müssen, dass sie den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten, solange ihre Renten nicht gleich hoch sind wie diejenigen der Männer, solange sie unbezahlte Care Arbeit leisten, solange sie für gesellschaftliche Anerkennung kämpfen müssen, solange sie nicht ihr Recht auf ihren Körper ihr eigen nennen können, solange es eine #metoo Debatte gibt, solange werden und müssen sich die Frauen weltweit für ihre Gleichberechtigung wehren und kämpfen.

MayaFy: Während deiner Recherche hattest du sicherlich es auch die Chance genossen, neue Autorinnen und Bücher zu entdecken. Kannst du uns ein paar Empfehlungen geben? 

Astrid Rana: Ja, ich habe ganz tolle Autorinnen kennengelernt. Z.b. Lana Bastašić, die ein Shooting Star in der Literaturszene ist, ihr kürzlich zuzuhören im Literaturhaus Zürich, als sie über den Bosnienkrieg erzählte, war schlicht beeindruckend. Ihr Buch “Fang den Hasen” ist wie ein Road-Trip durch Bosnien. 

Safeta Obhodjas Buch

Weiter lese ich:

Safeta Obhodjas mit “Funken aus einem toten Meer”,

Lejla Kalamujić’s mit “Nennt mich Esteban” ,

Ferida Duraković, sie schreibt Gedichte und Kinderbücher,

Slavenka Drakulić,

Ajna Jusić,

Dragica Rajčić Holzner

und viele weitere herausragende, tolle Schriftstellerinnen aus Kroatien, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien, etc. Während dieser Recherche habe ich auch ganz viele Artikel und Dokumente von interessanten Wissenschaftlerinnen gelesen.

Über Maya Taneva

Maya kommt ursprünglich aus einer politisch und kulturell stark geprägten Region des Balkans: Mazedonien. Sie ist in den 90er-Jahren in der Hauptstadt Skopje in einer Nachkriegsatmosphäre aufgewachsen. Damals gab es weder eine Kunstszene noch Kunst-Vereine. In diesen schwierigen Zeiten hat sie erkannt, wie wichtig es ist, Zeichen zu setzen und dass es Menschen gibt, die kreativ denken und arbeiten wollen. So war sie seit ihrer Jugendzeit mit verschiedenen kleinen und grossen Engagements in der subkulturellen Szene von Skopje aktiv: Kanal 103 Radio, Locomotion Festival, Dream On Festival… Seit 2012 wohnt sie in der Schweiz und studiert Weltliteratur an der Universität Bern am "Center for Global Studies (CGS)". "Es ist meine Vision, eine aktive Gestalterin und Promoterin der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu sein, die es in multikulturellen Milieus gibt. Insbesondere interessiert es mich, wie man die Rezeption der zeitgenössischen Kulturszene vertiefen und verbessern kann und Räume zu schaffen für multikulturellen Ausdruck, sowie für die Vermittlung zwischen Kultur und Politik."

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