Wie klingt «Silence»?

Wenn Bilder in einer trivialen Umgebung eines Museums oder einer Kunstgalerie ausgestellt werden, betrachten die Besucher sie häufig nur mit einem flüchtigen Blick, wenn sie von einer Halle in eine andere gehen. Sie schauen die Kunstwerke nur im Vorbeigehen an, übersehen oft viele Details und nehmen sich zum Teil gar nicht genug Zeit, um anzuhalten und nachzudenken. Das verändert sich, wenn Gemälde in einem Raum ausgestellt werden, in dem Menschen arbeiten oder sich versammeln, um gemeinsam Brainstorming durchzuführen und intensiv nachzudenken. Die Wahrnehmung des Kunstwerks wird dann völlig anders. So denkt Nadja Karpinskaya. Sie ist eine der Künstlerinnen die aktuell ihre Bilder, zusammen mit Ihrer ehemaligen Studentin Julia Rosenberg, im Impact Hub Bern präsentiert. Beide Künstlerinnen stammen aus Russland. Jede von ihnen hat ihren einzigartigen individuellen Stil und ihre eigene Philosophie. 

Ausstellung „Silence“, Impact Hub Bern, August 2020

Einwanderung und Kreativität

Eine Künstlerin, die in ein anderes Land zieht, kann oft nicht mehr so ​​malen wie zuvor. Neue Empfindungen gehen häufig mit innerer Stille einher, wenn die Künstlerin eine bisher ungewohnte Sprache hört. Indem die Künstlerin das Land und das Leben seiner Bewohner*innen von Tag zu Tag beobachtet, aufmerksam Details wahrnimmt und regelmässig Skizzen anfertigt, vereinfacht sich für sie die Aufgabe der kulturellen Adaption. Das Kennenlernen des fremden Landes und die kulturelle Absorption erfolgen durch die Spitze des Pinsels. Anderen Kunst beizubringen ist eine zusätzliche Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und die Sprache schneller zu erlernen. Die Sprache der Kunst durchbricht alle Barrieren. 

Die beiden Künstlerinnen erzählen mit ihren Werken unterschiedliche Geschichten über ihre Anpassung an die Schweizer Kultur. Beide sind sie positiv. Nadja hat sich als Kunstlehrerin etabliert. Sie hat einen akademischen Hintergrund und viel Leidenschaft für Innovation im Textil-Design.

Julia Rosenberg, die als Fotografin begann, beschloss bei ihrer Ankunft in der Schweiz, sich die Aquarelltechnik anzueignen. Nadja, die sich bereits gut integriert fühlte, half ihr, diese Fähigkeit zu erlernen. Danach wurde Julia selbst Lehrerin für meditative Malerei und erweiterte ihr künstlerisches Repertoire, um ihre Techniken mit der Asiatischen Philosophie zu verbinden. «Wie bei meinen Aquarellen habe ich auch in der asiatischen Malerei die Chance, mit meinem Pinsel ein Statement abzugeben. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Ideen von „schöner“ oder „hässlicher“, „guter“ oder „schlechter“ Malerei nur in unseren Köpfen existieren, ist Julia überzeugt.

Kunst während der Corona-Quarantäne

Die beiden Malerinnen erlebten die stillen Tage während der Corona-Quarantäne völlig verschieden. Beide nutzten ihre Kreativität, um Neues zu lernen und sich persönlich zu entwickeln.

Nadja, die keine Möglichkeit hatte, Papier für ihre Bilder zu kaufen, hatte die Idee, auf die Baby-Brei-Schachtel zu zeichnen und Textiltechniken zu erforschen. Online-Textil Labs und Online-Marathons wurden für sie zu einem Hauch frischer Luft und eine Gelegenheit für menschlichen Austausch. Julia beschäftigte sich mit dem Malen für das „Festival der Kulturen“ (das leider abgesagt wurde). „Rassismus ist auch ein Virus“ lautete der Hauptslogan des Festivals. 

Wie klingt Stille?

Warum heisst die Ausstellung und Vernissage der zwei Malerinnen „Silence“? Der Titel verbirgt viel mehr als Meditation oder die Erfahrung der Quarantäne. Am 15. August haben Sie die Möglichkeit, die Antwort selbst herauszufinden und Ihre Fragen direkt an beide Künstlerinnen zu stellen. Die Vernissage beginnt um 12.00 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum 30. September.

Über Anna Butan

Anna speaks French, German, English and Russian. She obtained a Master Degree at the University of Bern (Cultural Studies) and a Bachelor at the Lomonosov Moscow State University (Philology). Anna has big interest in such themes as: identity, cultural hybridity, music, and raising children in multicultural context. She is convinced that our children can teach us a lot. They are not born with stereotypes but they risk to acquire them later under external circumstances. Our task as parents is to help them grow as conscious and culture-aware humans.

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