Referendum gegen Frontex

Kürzlich wurde ein Referendum gegen Frontex lanciert. Lucify hat mit jemandem von Organisationsgruppe darüber ein Interview gemacht:

Lucify: könntest du dich vorstellen?

Selam Habtemariam: Ich heisse Selam Habtemariam von Migrant Solidarity network und wohne seit 2013 in der Schweiz.

Lucify: was ist Frontex?

Selam Habtemariam: Frontex ist die Grenzschutzagentur der Europäischen Union, die eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des Grenzregimes der EU spielt. Frontex ist weder eine Firma noch eine Grenzpolizei sondern eine Agentur der EU. Sie wurde im Jahr 2005 durch eine EU Verordnung gegründet. Die Frontex soll dazu beitragen, die europäische Außengrenzen zu schützen.

Lucify: Was ist denn eine Agentur?

Selam Habtemariam: Eine Agentur ist eine eigenständige Einrichtung des Europäischen öffentlichen Rechts. Eine Agentur ist verhältnismäßig unabhängig von der Organen der europäischen Gemeinschaft i.e Parlament, Rat, Kommission. Die sogenannten Agenturen unterstützen die EU bei der Umsetzung ihre Politik. Die EU ist explizit keine souveräne Staat, sondern ein Staatenbündnis. Man hat 2005 zur Gründung von Frontex beschlossen ,dass man auf EU ebene eine Agentur kreiert in der alle Mitgliedstaaten vertreten sind, die die Mitgliedstaaten dabei unterstützen die Außen und Sicherheit -politik auf Gemeinschaft ebene zu strukturieren. Seit die Gründung der Agentur wächst das Budget von 6 Millionen Euro um 7000% gestiegen. Aus unserer Sicht ist einerseits sowieso die Aufgabe der Frontex problematisch, denn sie bedeutet eine enorme Militarisierung der Aussengrenzen. Andererseits ist duch die Form der Agentur auch problematisch, dass es kein Kontrollgremium oder eine Instanz gibt, der die Agentur Rechenschaft schuldig ist. Dies wurde deutlich, als immer mehr Fälle von so genannten illegalen Pushbacks durch die Frontex bekannt wurden. Es brauchte zuerst massive Kritik von Organisationen, die sich für die Menschen auf der Flucht einsetzten, und unglaubliche journalistische Audeckungsarbeit damit die EU reagierte und das Budget der Frontex einfror.

Lucify: Warum wurde eine Petition dagegen lanciert? Warum ist es wichtig, das Referendum zu unterstützen?

Selam Habtemariam: Das Schweizer Parlament hat entschieden, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex mit 61 Millionen zu stärken. Mit diesem Geld soll Frontex die europäischen Außengrenzen noch mehr abschotten und europaweit Sonderflüge für Zwangsausschaffungen beschleunigen. Das Migrant Solidarity Network sagt JA zur Bewegungsfreiheit für alle und Nein zu Geld für die Frontex, nein zur Militarisierung der Grenzen, nein zu systemische Menschenrechtsverletzungen, und nein zur Überwachung von Menschen auf der Flucht. Wenn die höhere Finanzierung der Frontex nun durch das Parlament gewunken würde, dann bedeutet das mehr Grenzgewalt, Überwachung und Abschiebungen. Denn das zusätzliche Budget soll u.a. dafür genutzt werden, die Frontex auf 10’000 Grenzpolizist*innen anwachsen zu lassen neben den zusätzlichen Material, das der Überwachung und Sicherung der Aussengrenzen dienen soll. Frontex schottet so Europa gewaltwoll ab und macht Flucht und Migration unsicherer: Mehr Tote im Mittelmeer, mehr Folter in Libyen, mehr illegale Pushbacks, Grenzgewalt und Leid auf der Balkanroute oder in der Ägais. Auch nach der gefahrvollen Reise und nach teilweise jahrelangen Leben innerhalb von Europa ist für Viele die Gefahr nicht vorbei: es droht das Leben in Camps oder gar die zwangsweise oder „freiwillige“ Rückführung. Frontex spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in diesem Prozess der Entrechtung und der Entwürdigung durch Abschiebungen.

Lucify: Wer hat das Referendum gegen Frontex lanciert?

Selam Habtemariam: Migrant Solidarity network hat mit Seebrücke das Referendum gegen die Frontex lanciert.

Lucify: Wie kann man das Referendum unterstützen? 

Selam Habtemariam: Wir suchen Menschen, die Unterschriften sammeln. Auch Gruppen und Organisationen, die das Referendum gegen Frontex unterstützen wollen, sind herzlich willkommen. Am Tollsten wäre, wenn Menschen oder Organisationen sagen: Ich sammle 1000 Unterschriften – je nach Grösse oder Kapazitäten. Man kann auch Geld spenden, dass die organisatorische Ausgaben möglich sind.

Lucify: Wie und bis wann kann man Unterschriftsbogen erhalten? 

Selam Habtemariam: Die Unterschriftbögen sind schon auf die Webseite frontex-referendum.ch erhältlich. Die Unterschriften müssen bis Ende 2021 gesammelt werden. Es braucht 50’000 Unterschriften.

Lucify: Wer kann überhaupt Unterschriftsbogen unterschreiben? 

Selam Habtemariam: Die Unterschriften sollten von in der Schweiz stimmberechtigten Personen (ab 18 Jahren mit schweizerischer Nationalität). Aber sich zum Referendum zu äussern oder sich für das Referendum einzusetzen können alle.

Lucify: Und als Letzte Frage, wer das Referendum gegen Frontex unterstützt?

Selam Habtemariam: Das Referendum unterstützt durch einzelne Personen und folgende Organisationen /vereine

            •          augenauf Basel, Bern und Zürich,Autonome Schule Luzern,

            •          Autonome Schule Zürich

            •          Bewegung für den Sozialismus

            •          Bistro Interculturel

            •          Brava – ehemals TERRE DES FEMMES Schweiz

            •          COLLECT.Campax.

            •          CEDRI

            •          Club Asyl Aargau

            •          Demokratische Juristinnen Schweiz

            •          Droit de Rester Fribourg

            •          Droit de Rester Lausanne

            •          Droit de Rester Neuchâtel

            •          Europäisches BürgerInnen Forum

            •          evakuierenJETZT

            •          ExilAktion

            •          Flüchtlingsparlament Schweiz

            •          Freiplatzaktion Basel

            •          Freundeskreis Cornelius Koch Delémont 

            •          grundrechte.ch

            •          GRÜNE Luzern

            •          GRÜNE Schweiz

            •          HelloWelcome

            •          Jesuiten-Flüchtlingsdienst

            •          Junge Grüne Schweiz

            •          JUSO Schweiz

            •          LSDH-Ge, Ligue suisse des droits de l’Hommes – Genève

            •          Migrantifa Basel

            •          Migrant Solidarity Network

            •          Mouvement jurassien de soutien aux sans-papiers et migrants

            •          NCBI Schweiz

            •          Netzwerk migrationscharta

            •          Open Futures

            •          Parti de Travail Genève

            •          ROTA – Migrantische Selbstorganisation

            •          Sankofa – Plattform für Menschen Afrikanischen Erbes

            •          Seebrücke Schweiz

            •          Solidaritätsnetz Bern

            •          Solidaritätsnetz Zürich

            •          Solidarité sans frontières

            •          solidaritéS

            •          Solidarité Tattes

            •          Solinetz Basel

            •          Solinetz Luzern

            •          SP Schweiz

            •          Sure*TU

            •          Verbund solinetze.ch

            •          Verein Netzwerk Asyl Aargau

            •          Vivre ensemble

            •          voCHabular

            •          Watch The Med Alarmphone Schweiz

            •          WeCollect

            •          Wir alle sind Bern

Lucify: Vielen Dank für das Interview

Über Mahtab Taemeh

Mahtab stammt aus Iran und hat in Teheran persische Literatur studiert. Während ihres beruflichen Werdeganges hat sie als Sendeleiterin und Produzentin bei Radio Teheran und dem iranischen Nationalradio sowie als Reporterin und Autorin bei mehreren Zeitungen gearbeitet. Ausserdem war sie mehrere Jahre an der Kunst Akademie und Kulturerbe-Organisation in der Forschung tätig. 2015 hat sie ihr Land infolge der politischen Situation verlassen und ist mit ihrem Sohn in die Schweiz geflüchtet. Hier engagiert sie sich in verschiedenen Projekten. Zurzeit führt Mahtab einen Stadtrundgang bei StattLand, ist Moderatorin der Sendung vox mundi bei Radio Rabe und seit Juli 2019 Sendeleiterin der Sendung Torfehaye Javidan.

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