Die Verflechtungen der Schweiz mit Sklaverei und Dreieckshandel

[:de]Wenn wir über die Schweiz hören, ist die Beteiligung des Landes am Sklavenhandel fast nie ein Thema. Aber spielte die Schweiz eine Rolle während des Kolonialismus?

Laut der Stiftung Cooperaxion, die sich für Anerkennung, Gerechtigkeit und Entwicklung entlang der ehemaligen transatlantischen Sklavenhandelsrouten einsetzt, profitierte die Schweiz sehr vom Dreieckshandel. Als eine Reaktion gegen eine politische Stellungnahme der Schweiz, die ihre Verflechtungen in den transatlantischen Sklavenhandel und Kolonialismus nicht anerkennt, fördert die Organisation die nachhaltige Entwicklung und den interkulturellen Austausch entlang der einstigen Sklavenhandelsrouten.

Mit einem sehr engagierten und qualifizierten Team ist Cooperaxion eine wichtige Bezugsorganisation auf die Themen Sklaverei, Dreieckshandel und helvetische Verstrickungen.

Im folgenden Interview erklärt die Mitarbeiterin der Stiftung, Izabel Barros, wie die Schweiz sich an den Sklavenhandelsrouten beteiligte.

Fabiana Kuriki – Izabel, könntest du uns vom Dreieckshandel zwischen dem XVI und XIX Jahrhundert erzählen?
Izabel Barros – Zwischen XVI und XIX Jahrhunderte wurde das Kolonialsystem eingefügt. Europäischer Länder sind im Amerikas, Westafrika und Asien angekommen und dort haben Handelslager gegründet, sowohl die lokalen Bevölkerungen als auch Rohstoffe ausgenutzt. Menschen wurden als Sklaven untergeworfen und Rohstoffe wie Kaffee, Kakao, Gold und Diamant wurden von diesen Sklaven hergestellt. Demnach die im Europa produzierte Fertigprodukte wie Stoffe, Alkohol und Waffen wurden nach Westafrika transportiert und für Menschen gewechselt. Die Afrikaner wurden unter extreme Gewalt versklavt, im Amerikas verkauft und die Zwangsarbeit produziert z. B. Baumwolle, Kaffee und Zucker, die im europäischen Kolonialwarenladen vermarket wurden. Zucker war in Europa im XVI und XVII Jahrhunderte ein teures Luxusprodukt. Wir berechnen eine Zahl ca. 12 und 25 Millionen gehandelten Menschen zwischen Afrika und Amerikas.

Fabiana Kuriki – Wie hat die Schweiz sich am Dreieckshandel beteiligt?
Izabel Barros – Die Schweiz hat eine Verflechtung im Dreieckshandel, auch wenn das Land regelmässig seine Beteiligung verweigert. Zum Beispiel: Im Jahr 2001 hat die Schweiz an der Durban-Weltkonferenz in Südafrika teilgenommen. An dieser Konferenz wurde die Sklaverei der afrikanischen Diaspora als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt. Die schweizerischen Vertreter haben in Durban behauptet, dass die Schweiz gar nichts damit zu tun habe, weil das Land weder eine Seefahrernation noch eine Kolonialmacht war. Doch sie hatte eine wichtige Rolle im Kolonialsystem und davon profitiert. Sie hat viele Fertigprodukte exportiert, die im Kolonialsystem als Handelswährung benutzt wurden. Das Land war ein grosser Hersteller von „Indiennes“- eine Textilie, – welche in Europa vom XVII bis zum XIX Jahrhundert produziert wurden. Diese wertgeschätzten Baumwollstoffe waren eine wichtige Handelswährung in Westafrika.

Banken und Familienunternehmen wie bspw. die Burckhardts aus Basel waren auch Beteiligte an Sklavenexpeditionen. Der Neuenburger David de Pury war einer der grossen Aktionäre der Frachtgesellschaft „Pernambuco e Paraíba“. Das Unternehmen hat ca. 42.000 schwarze Sklaven innerhalb von 30 Jahren exportiert.

Viele Schweizer sind aufgrund von Armut emigriert und haben sich in Kolonien niedergelassen, wo sie Tiere, Ackerland und Menschen gekauft haben. Ein Beispiel ist die Kolonie Helvetia in Brasilien, wo der Anteil der weissen Siedler 1/10 im Gegensatz zu den versklavten Menschen war.

Andere Schweizer haben dieses System der Sklaverei mit ihren Theorien begründet. Louis Agassiz war einer der Autoren von Polygynie-Theorien, der die Unterschiede zwischen Rassen versucht hat zu beweisen. Die Schweiz hat zu dieser Ideologie – dem wissenschaftlichen Rassismus – beigetragen. Der Rassismus existiert bis heute aufgrund dieser Theorien.

 

Informationen über die Stadtrundgänge von Cooperaxion

Stadtrundgang: Auf den Spuren des Sklavenhandels in Neuenburg

Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich sehr die Stadtrundgänge, die von Cooperaxion in der Schweiz organisiert werden. Die Führung ist sehr interessant und informativ. Schokolade und Kaffee in der Schweiz haben jetzt einen ganz anderen Geschmack für mich.

Stadtrundgang: Auf den Spuren des Sklavenhandels in Neuenburg
Prächtige Paläste, vornehme Häuser und imposante öffentliche Bauten zeugen vom lukrativen trans-atlantischen Waren- und Sklaven- handel im 17. bis 19. Jahrhundert. Im Dreiecksgeschäft zwischen Europa, Afrika und den Amerikas verdienten Familien wie Pourtalès, de Pury oder de Meuron kräftig mit. Der Stadtrundgang zeigt Eckpunkte dieser Verstrickungen in der schönen Altstadt von Neuenburg. Ideal für Betriebsausflüge oder Schulklassen ab der Oberstufe. Dauer: Rund 1,5 Stunden, individuelle Buchungen für Gruppen möglich.

Stadtrundgang: Bern – Auf den Spuren des Kolonialismus
Rathaus, Holländerturm oder Waisen-hausplatz: Unser Stadtrundgang durch Bern erzählt Geschichte und Geschichten rund um Spekulationen mit der Sklaverei, rassistische Bilder im öffentlichen Raum und schweize-rischen Verflechtungen. Erfahren Sie während rund 1 ½ Stunden zu Fuss mehr über den Dreieckshandel und Kolonialismus ohne Kolonien.

Rundgänge buchen:
Dauer: ca. 1.5 Stunden
Kontakt: katharina.steinegger@cooperaxion.org
+41 (0)31 535 12 62[:]

Über Fabiana

Fabiana ist Sozialunternehmerin und Kommunikatorin aus Brasilien. In der Schweiz hat sie ein Handbuch über das Leben in der Schweiz für Portugiesisch sprechende Ausländer (ISBN 978-85-67902-01-2) herausgegeben und das Taoca-Kollektiv mitgegründet. Sie ist auch als Vorstandsmitglied bei Radio Lora und als Radioproduzentin bei PAUSA CAFFE tätig.

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