Meine Geschichte als iranische Frauenaktivistin auf der Suche nach Schutz in der Schweiz

Dies ist die Geschichte einer 41-jährigen Iranerin, die wegen ihres politischen Engagements ihr Leben als Architektin im Herzen des Iran – in Teheran – aufgegeben hat, um in der Schweiz erfolglos Asyl zu suchen.

Ich bin Fatemeh Nafary, iranische Staatsbürgerin und habe am 4. November 2019 in Bern ein Asylgesuch eingereicht. 15 Monate später, am 18. März 2021, wurde mein Asylgesuch abgelehnt und ich erhielt einen Ausreisebrief.

In Teheran wurde ich mehrmals von der Hijab-Schutzpolizei verhaftet, weil ich mich nicht an das Hijab-Gesetz hielt und kein Kopftuch trug. Ich wurde verhaftet, weil ich auch an Frauenprotesten gegen die Gewalt und die frauenfeindlichen Gesetze des islamischen Regimes teilnahm. Ich habe bittere Erfahrungen im iranischen Gefängnis gemacht. Jeder Nacht würde meine Schlaffen unterbrochen. Ich wurde vergewaltigt und beschimpft, weil ich eine Frau bin und für meine sozialen Rechte kämpfte.

Leider sollte ich solche Übergriffe auch hier erleben. Im Lager Mühlbergdorf in Bern wurde ich beim Baden von zwei afghanischen Männern angegriffen. Der im Iran erlebte Trauma lass mir nicht mehr schlaffen. Ich hatte grosse Angst, dass sich dieser Vorfall im Flüchtlingslager wiederholen könnte, wo      kein privater Raum gibt, wo keine Schlüssel zu den Türen gibt. Ich beschloss, einen sicheren Ort zu finden. Trotz Polizeibericht und medizinischem Bericht der UPD (Universitäre Psychiatrische Dienste) wurde mein Gesuch um Unterbringung in einem Privatzimmer abgelehnt.

Mehr als fünfmal habe ich über verschiedene Personen und mehrere Kirchen und Flüchtlingshilfezentren bei der Einwanderungsbehörde in Bern einen Wohnsitz ausserhalb des Flüchtlingslagers beantragt. Jedes Mal wurde mein Antrag abgelehnt. In einem kürzlichen Briefwechsel mit Herrn A. Maurer, dem derzeitigen Leiter der Einwanderungsbehörde in Bern, wurde ich darüber informiert, dass es im Dorf Enggistein Worb ein sicheres Flüchtlingslager für Familien und alleinstehende Frauen gab. Aber nach der Erfahrung in Mühlenberg war für mich dieser Ort wie derjenige in dem ich schon war, wo ich keinen privaten Raum wieder gehabt hätte. Wie auch der Bericht von UPD sagte, brauchte ich diesen privaten Raum, weil ich wegen meiner Traumata nicht mehr in einem Zentrum leben könnte.

Glücklicherweise fand ich mithilfe von Freunden ein Privatzimmer ausserhalb des Flüchtlingslagers, aber das nutzten es nicht. Der Berner Migrationsdienst teilte mir aber mit, dass sie eine private Aufenthaltsbewilligung für mich nur prüfen könnten, wenn ich mich an die Botschaft der Islamischen Republik wende und einen neuen Pass ausstellen lassen wurde. Das war aber unmöglich für mich. Eine Botschaft steht unter die Gesetzte des eigenen Land und dorthin zu gehen hätten bedeutet für mich an die islamischen Regime mich unterzuwerfen. Die Ausstellung eines neuen Reisepasses ist aber für eine Zwangsrückführung natürlich nicht erforderlich. So denke ich, dass diese Anfrage ein Vorwand gewesen sein könnte, um die Bitte um ein Einzelzimmer abzulehnen und mich trotz meiner Depressionserfahrung und meiner sozialen Probleme, unter Druck zu setzen.

Und nun lebe ich heute als Sans-Papier in der Schweiz, ohne Schutz, ohne Rechte. Kann ich nach 5 Jahren in der Schweiz einen Härtefallantrag stellen? Wird meine Bewerbung angenommen, ohne eine konkrete Adresse und Wohnort? Diese Situation könnte Jahre dauern und ich würde in der Schweiz unentschlossen bleiben.

Diese Bedingungen wurden für mich von denen geschaffen, die keine Verantwortung für das Problem übernehmen wollten, für deren die Sicherheit junger Frauen in einem unsicheren Flüchtlingslager nicht wichtig ist. Und ist das vernünftig? Ist dieses Verhalten angemessen und im Einklang mit den Menschenrechten? So frage ich: Handelt die Schweizer Regierung nach den Regeln der Frauenflüchtlingskonvention? Werden die Gesetze und Frauenrechte in der Schweiz respektiert oder werden sie aus rassistischen Gründen für ausländische Frauen nicht umgesetzt?  Wo sind die Menschenrechte, von denen Sie sprechen?

Ich kann nicht zurückgehen, weil meine Leben wie die von Mahsa Amini keinen Wert dort hätte. Die Regierung der Islamischen Republik Iran hat die Rechte der Frauen gemäss den Normen des Islam geregelt und die extremistischen und frauenfeindlichen Ideen in die Gesetze des Landes integriert.

Seit im September 2022 bekannt wurde, dass die Studentin Mahsa Amini wegen ihre Verstosses gegen das Hijab-Gesetz von der iranischen Sittenpolizei ermordet wurde, ist der Iran Schauplatz von Massendemonstrationen und Protesten geworden. Viele junge Menschen wurden auf der Strasse durch Kriegsgeschosse getötet, viele wurden zum Tode verurteilt und snid jetzt im Gefängnis. Während mehrere europäische Länder protestierten, schwieg die Schweiz als einziges Land unter dem Vorwand der Neutralität.  Nur vier von zehn Asylanfrage werden angenommen.

Die Schweiz präsentiert sich als ein Land, das den Frieden fördert und die Menschenrechte unterstützt. Andererseits werden alle Bankgeschäfte der Mullahs und die Öl- und Gasgelder des iranischen Volkes in diesem Land abgewickelt.  So wurden beispielsweise die von den USA freigegebenen 6 Milliarden Dollar in der Schweiz in Euro umgetauscht und in den Iran geschickt.

Ich möchte den Besuch der Schweizer Botschafterin, Frau Nadine Olivieri Lozano, erwähnen, die einen arabischen Hijab trug, um die religiöse Stadt Qom zu besuchen, die Stadt der iranischen Mullahs. Sie trug den obligatorischen Hijab und die Burka, um die Mullahs in der Stadt zu besänftigen. Aber in einer Situation, in der die iranischen Frauen gegen das Hijab-Gesetz kämpfen, ist meiner Sicht ihr Verhalten eine Beleidigung der iranischen Frauen.

Die Erfahrung, vier Jahre in der Schweiz zu leben und die Menschen und die Kultur dieses Landes kennenzulernen, wirft für mich viele Fragen auf.  Haben die Frauen in diesem Land, das dafür bekannt ist, Recht und Frieden in der Welt zu schaffen, die gleichen sozialen Rechte wie Männer? Warum gibt es in diesem Land so viele Zentren zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen?  Sind Schweizer Frauen vor sozialer Gewalt auch nicht sicher? Wie kann ich hier als Ausländerin ohne Papiere auf gesetzlichen internationale Menschenrechten zählen?

Ich bin aus einem Land mit 7000 Jahren Geschichte und Kultur in die Schweiz gekommen. Bereits im Jahr 1963 bekamen die Frauen das Stimmrecht. Aber seit der islamischen Revolution, vor 43 Jahren kämpfen nun Frauen in meinem Land gegen die islamistische Extremistenregierung.  Diese korrupte und falsche Regierung ist nicht Teil unserer iranischen Kultur.  Nirgendwo in der iranischen Kultur und Geschichte vor der islamischen Wende wurden Frauen im Namen der Religion von Regierungen unterdrückt. Es gab keine Gesetze gegen Frauen. In der iranischen Kultur und Literatur sind Frauen nur Gott untergeornet, wie zum Beispiel in den Gedichten von Hafez Shirazi, Saadi und Molana sind Frauen die Schöpferinnen der Schönheit von Licht, Liebe und neuem Leben. Wenn Sie einen Iraner*in nach Religion fragen, sollten sie zunächst über die iranische Kultur und Literatur sprechen.

Der Kampf der iranischen Frauen geht weiter. Wir werden niemals so zurückkehren, wie wir gekommen sind.  Iranische Frauen erheben ihre Stimme für die Freiheit innerhalb und ausserhalb des Iran. Diese Bewegung wird in den Händen der Generation junger iranischer Mädchen Früchte tragen, sie werden die Kultur und den Boden des Iran erben. Auch wenn nur ein Teil des Bodens und der Kultur Irans erhalten bleibt, werde ich ihn bewahren, bis ich weiterleben kann.

In der Hoffnung auf Frieden und Freiheit auf der ganzen Welt. Lang lebe die Freiheit.

FRAUEN  – LIEBE  – FREIHEIT

FATEMEH NAFARY    

Über Fatemeh Nafary

In Teheran war ich Architektin und Frauenrechtsaktivistin. Ich habe in Publikationen über Frauenrechte geschrieben und auf der Strasse demonstriert, bis ich verhaftet wurde und in die Schweiz fliehen musste.

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