Ein Theaterprojekt gibt zehn Frauen mit Migrationsbiografie in der Schweiz die Bühne, die ihnen zusteht – und verändert damit, wer erzählen darf, was Identität bedeutet.
Durch das Erzählen ihrer Geschichten schreiben sie Geschichte neu.
Es ist ein Haus, das keine Wände braucht, und ein Talent, das keine Bühne verlangt – und doch findet beides in einem Theaterprojekt seinen Raum: Haus der Talente. In Zürich beginnt hier nicht nur ein künstlerischer Prozess, sondern eine tiefgreifende Bewegung – partizipativ, transformativ, mutig. Zehn Frauen mit Migrationsgeschichte stehen im Zentrum. Sie teilen nicht nur ihre Geschichten, sie gestalten sie. Für sich. Für uns.
Im Haus der Talente wird Theater nicht gespielt – es wird gelebt.






Ein Raum zwischen Herkunft und Zukunft
Entstanden aus dem Wunsch, den oft unsichtbaren Stimmen Gehör zu verschaffen, ist dieses Projekt mehr als eine Bühne. Es ist ein Rückzugsort, ein Resonanzraum, ein Katalysator für Selbstermächtigung. Unter der künstlerischen Leitung von Theaterpädagogin Katia Franco Hofacker und Filmemacherin Perla Ciommi entsteht hier eine Bühne, auf der Herkunft nicht als Limit, sondern als Quelle verstanden wird.
Die Frauen entwickeln eigene Theaterszenen. Keine vorgeschriebenen Rollen, kein festes Skript – stattdessen Geschichten, die aus dem Innersten kommen. Was bedeutet es, anzukommen? Wo beginnt Zugehörigkeit? Und wie klingt die eigene Stimme in einem Land, dessen Sprache man noch lernt – oder längst liebt?

Vom Spiel zur Selbsterkenntnis
Durch verschiedene Theatertechniken wie das Bildtheater von Augusto Boal und das Erzähltheater entstehen Räume für kollektive Reflexion. Es wird gelacht, geweint, geschwiegen – und gespielt. Nicht, um der Realität zu entfliehen, sondern um sich selbst zu begegnen.
Die kreative Ausrichtung des Projekts ist inspiriert von einer alten Sufi-Parabel, bekannt als Le Conte des Sables – die Geschichte eines Flusses, der eine Wüste überqueren muss und erkennt: Er kann sie nicht durchqueren, ohne sich zu verwandeln. Er muss loslassen, was er kennt, sich dem Wind anvertrauen – und als Regen auf der anderen Seite neu entstehen. Diese alte Weisheitsgeschichte, überliefert in verschiedenen Kulturen als Gleichnis für Hingabe, Wandel und Vertrauen bildet den roten Faden des gesamten kreativen Prozesses – ein Sinnbild für Migration, innere Stärke und die Kraft weiblicher Selbstverwirklichung.Im Laufe des Projekts verweben sich persönliche Erfahrungen, kollektive Reflexionen und gewonnene Erkenntnisse zu einer vielstimmigen Erzählung über Identität, Zugehörigkeit und Selbstermächtigung – ein kreativer Strom, der Grenzen überwindet und neue Formen des Daseins sichtbar macht.

Rampenlicht weitergedacht:
Die Web-Serie
Was auf der Bühne beginnt, endet nicht mit dem letzten Applaus. Haus der Talente geht weiter – online, persönlich, bewegend. In einer dokumentarischen Web-Serie werden die Geschichten der Teilnehmerinnen über das Theater hinaus sichtbar gemacht. Jede Folge rückt eine Frau ins Zentrum und zeigt, wie sich künstlerisches Schaffen und biografisches Erzählen miteinander verweben.
Zwischen Probenraum und Alltag, zwischen Licht und Schatten entfalten sich Perspektiven, die bewegen – und verbinden. So wird das Rampenlicht nicht nur digital verlängert, sondern neu definiert: als Raum für Begegnung, Teilhabe und gesellschaftliche Resonanz.
Migration gestaltet – Menschen, Kulturen, Zukunft
Migration ist mehr als ein biografischer Umstand – sie ist schöpferische Kraft. Wenn Menschen neue Wege gehen, bringen sie nicht nur Erinnerungen mit, sondern Perspektiven, Talente und Geschichten.
Im Haus der Talente wird sichtbar, wie Migration Identitäten erweitert, Räume verwandelt und Kultur bereichert. Hier zeigen Frauen mit Migrationsgeschichte, dass Zugehörigkeit nicht von der Herkunft bestimmt wird, sondern im gemeinsamen Gestalten eines lebendigen, vielfältigen Wir erwächst.
In Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung setzt dieses Projekt ein kraftvolles Zeichen: für Vielfalt, Teilhabe und Selbstbestimmung. Es macht deutlich, dass Theater und kreativer Ausdruck kein Luxus sind – sondern Notwendigkeit. Und dass Kunst nicht nur abbildet – sondern auch verbindet und transformiert.

Vom Unsichtbaren zum Unüberhörbaren
Wenn man die Teilnehmerinnen auf der Bühne sieht – mal fragil, mal wütend, mal glänzend vor Stolz –, wird klar: Hier werden keine Opfergeschichten erzählt. Hier entstehen Heldinnengeschichten. Nicht im klassischen Sinn, sondern in der sanften, beharrlichen Art, mit der man sich seinen Platz in der Welt zurückholt.
Denn Sichtbarkeit ist kein Zustand, sie ist ein Prozess. Und dieser Prozess beginnt im Haus der Talente – einem Ort, der Mut macht, neue Fragen zu stellen. Wer darf erzählen? Wessen Geschichte ist gesellschaftlich relevant? Und was geschieht, wenn wir anfangen, wirklich zuzuhören?

Willkommen im Haus der Talente
Ein Projekt, das nicht nur zeigt, was Theater kann – sondern was Gesellschaft sein könnte. Wenn wir zuhören. Wenn wir teilen. Wenn wir Identität vielfältig betrachten und nicht nach Herkunft fragen, sondern danach, wer wir sind.
Ein Rückruf zu den universellen Werten, die uns verbinden, und zur Essenz des Menschseins.
Die Theaterperformance ist an den folgenden Tagen im Maxim Theater zu erleben:
– Dienstag, 10. Juni 19:30 – 20:30
– Dienstag, 17. Juni 19:30 – 20:30
– Freitag, 20. Juni 19:30 – 20:30
– Samstag, 21. Juni 19:30 – 20:30
– Samstag, 28. Juni 19:30 – 20:30
Mehr erfahren: www.hausdertalente.ch