Benafsha Efaf im Interview: Psychologische Hilfe in Muttersprache

Benafsha Efaf – ein Vorbild für Frauenpower

Warme Augen, ein freundliches Lächeln und ein starker Geist. Diese drei Eigenschaften sind mir gleich bei der ersten Begegnung mit Beanfsha Efaf aufgefallen. Die Weisheit, die diese Frau hinter ihren Augen ausstrahlt, ist offensichtlich stark mit ihrer eigenen Lebenserfahrung verbunden. Als Frau bekommt man sofort Lust, von ihr etwas zu lernen. Deshalb war es mir eine besondere Freude, ihre Lebensgeschichte zu erforschen, und es ist mir eine grosse Freude, sie heute an Sie, meine liebe Leserin, weiterzugeben.

Maya Taneva: Benafsha, du bist vor zwei Jahren mit deiner Familie in die Schweiz geflohen. Wie hast du dich in der Schweiz eingelebt und welchen Herausforderungen bist du begegnet?

Benafsha Efaf: My name is Benafsha Efaf. Ich komme aus Afghanistan. Ich bin Rechtsanwältin vom Beruf. Ich habe in Afghanistan mehr als 15 Jahre im Frauenrecht gearbeitet. Als die Taliban unser Land erobern haben, musste ich das Land wegen Bedrohungen verlassen. Die Schweiz hat mir und meiner Familie geholfen und hat uns und meine Familie evakuiert. Das erste Jahr war wirklich schwierig für mich in der Schweiz als Asylsuchende und als Migrantin zu sein. Aber mit der Zeit und durch meinen Engagement habe ich mich viel verändert.

In diesem Vorstellungsvideo spricht Efaf über ihre ersten Jahre in der Schweiz und die Notwendigkeit, ihre Identitäts- und Zugehörigkeitsgefühle neu zu erfinden.

Maya Taneva: Du bist eine vielfach ausgezeichnete Aktivistin. Wie hat sich dein Engagement in der Schweiz entwickelt und was ist die Verbindung zu deinem jetzigen Aktivismus in Afghanistan?

Benafsha Efaf: Also als Kind habe ich mich entschieden für Frauen zu arbeiten. Weil ich habe viel Ungerechtigkeit in diesem Land gesehen. Wenn eine Frau ein Problem hat, sie darf sich nicht scheiden lassen. „Divorce“ oder Scheidung war wirklich eine grosse Stigma und es ist immer noch so. Als ich 16 Jahre alt war, habe ich mit meiner ersten Aktivismus-Arbeit für Frauen angefangen. Als ich 22 Jahre alt war, habe ich mit einer ganz sensible Arbeit angefangen. Mit Frauenhäuser, für Frauen die Gewalt erleben in Afghanistan. 

Die Regeln von Afghanistan… denn seit meiner Kindheit hatte ich immer mit diesen Regeln zu tun. Diese waren immer „zugunsten“ der Männer. Nicht für Frauen. Als ich dann die Möglichkeit hatte, als Anwältin aufzutreten, habe ich einige von ihnen geändert!

Benafsha Efaf: Du weisst dass momentan Frauen in Afghanistan dürfen nicht in den Sozialen Medien sich ausdrücken lassen, was ist genau in diesem Land passiert und wie ist es die genaue Situation. Dann versuche ich als Advokatin diese Stimmen von Frauen hörbar zu machen in der Schweiz. 

Ein anderes Aspekt meiner Arbeit für Afghanistan ist es: ich unterrichte die Mädchen. Das heisst seit mehr als drei Jahren, die Mädchen und junge Frauen dürfen nicht an die Universität und sie dürfen nicht an die Hochschule. Darum ich unterrichte die Mädchen in Afghanistan online. Unser Ziel ist es dass die Mädchen und die Frauen erleben die Verbindung mit Education (ein Form von Education). Nicht einfach zu Hause zu bleiben , ohne etwas zu machen, undgleichzeitig wir wollen, unsere Erfahrungen auch transferieren

Efaf ist seit ihrem 16. Lebensjahr eine Aktivistin für die Rechte der Frauen in Afghanistan. Bevor sie aus Afghanistan fliehen musste, arbeitete sie für Women for Afghan Women (WAW). Efaf ist von Beruf Anwältin und hat sich ihr ganzes Leben lang für die Rechte der Frauen in Afghanistan eingesetzt.

Als sie sich in der Schweiz in einer neuen Lebenssituation befand, musste Benafsha Efaf ihren beruflichen Weg und ihr soziales Engagement neu aufbauen. Das „Paxion“-Programm für psychologische Beratung in Muttersprache kam ihr da gerade recht. Sie konnte ihr Fachwissen, das sie bereits aus ihrem Heimatland mitbringt, mit der Beratungsstelle für Asylsuchende verknüpfen. Das bringt beste Früchte für die psychische Gesundheit ihrer Klienten, aber auch eine grosse persönliche Befriedigung.

Maya Taneva: Du bist Beraterin bei „Paxion“, einem Pilotprojekt, das Geflüchteten bei der Bewältigung von psychischen Belastungen hilft. Was ist das Besondere an diesem Ansatz und warum hältst du ihn für wichtig? Kannst du ein Beispiel aus deinem Arbeitsalltag als Beraterin nennen?

Benafsha Efaf: Ich geniesse meine Arbeit mit Paxion, weil es sehr menschlich ist. Wert-basierter „Counseling“ oder Beratung. Dieses Angebot  ist in Muttersprache. Es ist sehr wertvoll für die Leute, da sie haben die gleiche oder ähnliche Erfahrungen. Ich bin selbst eine Flüchtlinge, eine Migrantin.

Wenn ich andere Leute aus Afghanistan auf die gleiche Sprache spreche, können wir auch auf die selbe Augenhöhe zusammen reden, und auch was ist noch mehr wichtig, bei diesem Ansatz gibt es keine Verurteilung oder Beurteilung, dass durch dieses Prozess entsteht. 

Ich sehe die Wirkung ganz klar  beim Klienten.In diesem ein und halb Jahr, habe ich mit mehr als 25 Klienten individuelle gearbeitet. Und ich sehe  jeder Mensch jetzt. Sie sind selbstwirksam. Sie sind aktiver geworden. Und das ist wirklich sehr sehr wichtig in diese Abläufe der Integration.

Ich habe schon immer mit Menschen gearbeitet, die Schwierigkeiten haben und sich in schwierigen Umständen befinden… und diese Arbeit ist auch für mich spannend!

Maya Taneva: Was möchtest du abschliessend den Leserinnen und Lesern von lucify.ch mit auf den Weg geben, die sich für die Frauenrechte und die Rechte von Geflüchteten einsetzen wollen?

Benafsha Efaf: Es gibt Schwierigkeiten aber es gibt viele Möglichkeiten auch! Ich sage dass wir sollen auch die Möglichkeiten in der Schweiz nützen. Rasissmus.. aber es gibt auch viele nette Personen! Es gibt Leute die sind wirklich sehr kalt mit den Migranten, aber es gibt auch Leute die Umarmen. Und es gibt auch Leute die freiwillige Arbeit machen. Das habe ich wirklich genossen! In der Schweiz es gibt Menschen die machen unheimlich viele Sachen freiwillig für die Migranten.

Meine Botschaft für alle Leute in der Schweiz und auch für die Schweizer Gesellschaft ist: Migranten sind nicht alle kriminelle, die sind nicht alle krank. Ja selbstverständlich, wie haben schwere, heftige Geschichten. Aber wir haben auch viel Kraft. Es fehlt nur noch an Anerkennung!

Krieg hat von uns unsere Häuser genommen. Aber nicht was in unserem Kopf gibt! Wir haben auch in unserem Rucksack, von unseren Ländern, viel Kraft, und Fähigkeiten mitgenommen. Das können wir auch in der Schweiz benutzen! Wir und auch die andere Migranten brauchen Solidarität.

Wir haben Efaf um eine persönliche Botschaft an unsere Leser*innen gebeten.

Zum Schluss veröffentlichen wir ein bedeutendes Dokument, an dem Efaf seit 2021 zusammen mit dem Institut für Frieden der Vereinigten Staaten USIP arbeitet. Es handelt sich um eine Liste von Taliban-Erlassen, -Befehlen und -Richtlinien, die die Rechte von Frauen und Männern seit 2021 bis heute verletzen. Das Dokument ist auf Englisch.


Liste der Erlasse der Taliban, die gegen die Rechte der Frauen verstossen, erstellt von Benafsha Efaf – v. Mai 2025

Über Maya Taneva

Maya kommt ursprünglich aus einer politisch und kulturell stark geprägten Region des Balkans: Mazedonien. Sie ist in den 90er-Jahren in der Hauptstadt Skopje in einer Nachkriegsatmosphäre aufgewachsen. Damals gab es weder eine Kunstszene noch Kunst-Vereine. In diesen schwierigen Zeiten hat sie erkannt, wie wichtig es ist, Zeichen zu setzen und dass es Menschen gibt, die kreativ denken und arbeiten wollen. So war sie seit ihrer Jugendzeit mit verschiedenen kleinen und grossen Engagements in der subkulturellen Szene von Skopje aktiv: Kanal 103 Radio, Locomotion Festival, Dream On Festival… Seit 2012 wohnt sie in der Schweiz und studiert Weltliteratur an der Universität Bern am "Center for Global Studies (CGS)". "Es ist meine Vision, eine aktive Gestalterin und Promoterin der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu sein, die es in multikulturellen Milieus gibt. Insbesondere interessiert es mich, wie man die Rezeption der zeitgenössischen Kulturszene vertiefen und verbessern kann und Räume zu schaffen für multikulturellen Ausdruck, sowie für die Vermittlung zwischen Kultur und Politik."

Alle Beiträge anzeigen von Maya Taneva

Schreibe einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..